Hausmeister und andere neue Freunde

Eine Woche sind wir jetzt unterwegs und fahren gerade an der Great Ocean Road in Richtung Melbourne, wo wir die Nachtfähre nach Tasmanien nehmen werden. Rechts von mir ein fast schon kitschig türkisblaues Meer, links Hügeln mit Wäldern. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich nicht von Wäldern daheim – und doch ist irgendetwas anders. Das fällt erst bei näherer Betrachtung auf: riesige Farne wechseln mit fremdartig aussehenden Büschen, am Straßenrand taucht unvermittelt ein Ameisenigel auf und die Luft riecht ganz anders. Obwohl wir am Meer unterwegs sind fehlt der typische Meergeruch. Wenn dann sind es krautig-fruchtig-firsche Düfte, die in die Nase steigen, angenehm waldig, eine Mischung aus Griechenland und Wienerwald.

Von Adelaide fuhren wir in die Grampians, ein Nationalpark umgeben von Bergen. Gleich bei der Ankunft in der Dämmerung erwartete uns in einer Kurve der Hausmeister des Nationalparks. Ein stattlicher Kerl von sicher an die zwei Metern Körpergröße. Seine Aufgabe ist offenbar, in der Kurve auf Autos von Touristen zu warten um dann unvermitelt auf die Fahrbahn zu hoppeln. Nach einen kurzen Blickkontakt hüpfte er mit kritischem Blick auf unser Fahrzeug eine Runde um unser Auto um wortlos im Wald zu verschwinden. 

Auch zwei Emus nutzten den lauen Abend für einen Waldlauf, ihre Jogging-Route führte ebenfallls knapp an unserem Kühler vorbei. Unser Abendspaziergang brachte uns in die nächste Nähe des Hausmeisters: eine Känguruhdame samt Baby – hier einfach „Joey“ genannt – grasten auf einer Wiese, im Hintergrund zwei raufende Jungmännchen, die sich boxend und tretend ausmachten, wer heute bei Mama schlafen darf. „Never trust anything that’s wild“, mit diesen Worten wurde ich von einer Dame hier darauf aufmerksam gemacht, dass wir uns nicht im Zoo befinden sondern in der Wildnis. Entsprechenden Respektabstand gilt es zu halten, wenn auch die Damen und Herren Beuteltiere erstaunlich wenig Interesse an menschlichen Besuchern zu haben scheinen. Einmal kurz aufrichten, ein schneller Blick und dann weiterfressen.

Neben unwirklichen Landschaftzen wurden wir in der Nacht mit einem wolkenlosen Sternenhimmel beschenkt. Es ist erstaunlich, wie fremd ein Nachthimmel aussieht, wenn alles anders ist. Kein großer Wagen, keine Cassiopeiea, dafür das Kreuz des Südens und Pegasus (und zahllose andere Gestalten).

Die nächsten Tage ging es abwechslungsreich weiter – einsame Strände mit beeindruckender Brandung, Regenwald, kleine und größere Orte, die jeder für sich einen eigenen Charme haben, bis zu unserem letzten Halt im Cape Otway National Park. Hier blieben wir zwei Nächte, fernab der Zivilisation und doch komfortabel einquartiert in einem Bungalow direkt am Waldrand. Die hier ansässigen Koalas gaben das Tempo vor, alles ein bisschen ruhiger hier, alles ein bisschen langsamer. Die gemütlichen grauen Pelzbündel hängen hier in den Bäumen und fressen den ganzen Tag – eine wunderbare Inspiration für den köstlichen Kaiserschmarren, den Wolfgang uns am Abend gezaubert hat. 

Känguruhs, Koalas, Emus – davon gibt es jede Menge hier. Doch von einer Spezies werden sie mengenmäßig weit übertroffen: Fliegen. Fliegen, Fliegen, Fliegen. Überall. Beim Wandern Fliegen in den Ohren, Fliegen in der Nase, Fliegen im Mund. Die kleinen Plagegeister tun zwar nichts, sind aber extrem lästig und lediglich ein Mantra-artig dahingemurmeltes „Fliegen sind Freunde … Fliegen sind Freunde … Fliegen sind Freunde“ halten mich davon ab, alle fünf Minuten einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, den Wald in Brand zu stecken und die gschissenen Quälgeister mit einem lauthals gebrüllten „Geht’s sterben, es unnädign Gfrasta“ ein für alle Mal abzumurksen. Eine wunderbare Übung in Gelassenheit und Selbstdisziplin. 

Der Wald steht noch und ich habe viele, viele neue Freunde gefunden…