Steampunk & Co.

Gespannt stehe ich auf dem Bahnsteig. Ein älterer Mann in einer altertümlichen Schaffneruniform, den ich schon wenige Minuten zuvor gemeinsam mit einem Helfer in einfacher Arbeitskleidung eine einfache Metallleiter mit bedächtigem Schritt über die Eisenbahnkreuzung tragen gesehen habe, bittet mich und die anderen Mitreisenden freundlich, die gusseiserne offene Plattform des wartenden Zugs zu besteigen. Hinter der blitzblauen Lokomotive schließt ein offener roter Wagen mit einfachen Holzbänken an, gefolgt von zwei weiteren geschlossenen Waggons. Wohin mag unserer Reise führen? Das ratternde Gurgeln des Triebwagens verheisst eine baldige Abfahrt und lässt den Boden unter meinen Füßen vibrieren. Die anderen Fahrgäste haben schon ihre Plätze unter freiem Himmel angenommen, so geselle ich mich zu ihnen und setze mich. Ein Pfiff gellt durch die Luft, die Trillerpfeife des Schaffners, ein lautes Tuten der Lok und dann setzt sich das blau-rote Ungetüm mit der schnaufenden Schwerfälligkeit eines in die Jahre gekommenen Pferdegespanns in Bewegung.

An augedienten Lagerhäusern vorbei schleppt sich der Zug wie eine bunte Raupe durch die Landschaft. Seltsame Dinge ziehen an unserem Waggon vorbei: ein Haus, ganz aus rostigen Metallplatten gebaut, ein meterhohes Hochrad aus Stahl, ein Steg auf dem sich dicht an dicht Seevögel drängen. Zehn Minuten später erreichen wir den Endbahnhof unserer eigenartigen Reise. Wir steigen aus dem Zug und stehen inmitten einiger eisenverkleideter Hütten, die als einsames Grüppchen hier jenseits der Schienenstränge ihr Dasein fristen.

Eine freundliche, beleibte Dame mittleren Alters begrüßt uns mit schelmischem Grinsen, auch sie trägt eine Uniform, die sie als Mitarbeiterin der Eisenbahnlinie ausweist. Mit einem verschmitzten Lächeln führt sie uns in einen der Schuppen, in dem ein leicht fischig-ranziger Geruch hängt. Ein paar Momente dauert es, bis die Augen sich an das dimmrige Licht gewöhnt haben. Es muss sich um eine alte Schmiede handeln, überall liegt Werzeug herum und ein Schmiedeofen, dessen beste Jahre auch schon vorbei zu sein scheinen, wartet an der Wand auf bessere Zeiten. Die uniformierte Frau geleitet uns in den hintersten Winkel des Raumes und was ich dort erblickte erklärte mit einem Mal die freudige Erregung der Zugbediensteten und den würzigen Geruch: ein Pinguinpärchen, das den hintersten Winkel dieser Schmiede als Nistplatz auserkoren hat. Nur schemenhaft erkennt man ihre Umrisse im Dunkeln, wir wollen auch ihre Privatsphäre respektieren und halten entsprechenden Abstand, doch sie ist eindeutig zu erkennen (und zu riechen).

Wir werde wieder ins freie und in einen kleinen Hinterhof zwischen den Gebäuden geführt, wo uns an einer Wand ein längliches Betongebilde mit kreisrunden Löchern darin als weitere Nester der kleinen duftenden Frackträger vorgestellt werden. Nach wenigen Minuten sitzen wir wieder im Zug und die blaue Zugmaschine zieht ihre Fracht stampfend und pfauchend wieder zurück ins schöne und absurde Oamaru.

Nein, wir haben weder lustige Drogen eingeworfen noch handelt es sich um einen Eintrag aus meinem Traumtagebuch. Alles das ist tatsächlich genau so passiert, im besagten Örtchen Oamaru, laut Eigendefinition der „coolste Ort in Neuseeland“. Wo sonst findet man ein ganzes Segelboot in einer Buchhandlung, eine alte Dampflok, die (nach Münzeinwurf) zu dampfen und zu pfauchen beginnt oder besagten Bummelzug, der von einigen freiwilligen Helfern instand und in Betrieb gehalten wird …